Dienstag, 8. März 2011

Wer rettet die Karteileiche?

Ulrich Wickert kümmert sich um die Freiheit, Heinz Rudolf Kunze um Wunderkinder und Ursula von der Leyen um den Familiensinn. Auf www.wortpatenschaft.de kann sich jeder seinen Lieblingsbegriff heraussuchen und dann... ja, was eigentlich? Schützen? Vor dem Aussterben bewahren? Der „Drogeriemarkt“ ist sicher weder als Ort noch als Wort bedroht. Trotzdem hat er mit Rossmann einen liebevoll umsorgenden Paten. Ikea hält seine schützende Hand über die „Einrichtungskompetenz“ und BMW über ...nein, nicht „Fahrfreude“, sondern „Wertschöpfungsorientierung“. Aha.

Der große Sprachschützer Bastian Sick engagiert sich selbstverständlich auch. Am liebsten hätte er wahrscheinlich den Genitiv gerettet, aber da er sich für ein Wort entscheiden musste, wählte er das unscheinbare Reziprokpronomen „einander“.

Nun wollte auch ich gern zum Kreis der edlen Wortpaten gehören und ließ mir Vorschläge für noch freie Wörter unterbreiten. Leider konnte ich mich nicht zwischen „Sozialabgabenquote“, „Sommerfrüh“ und „Bundestrojaner“ entscheiden. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach wirklich schützenswerten Begriffen. Ich wurde fündig unter www.bedrohte-woerter.de.

Neben technisch Überholtem wie Abspielgerät oder Bandsalat findet sich hier auch kulinarisch Gestriges wie Brause, Broiler und Muckefuck. Klar, wer wird in Zukunft schon noch verstehen, dass für Pfennigfuchser selbst Ladenhüter kein Pappenstiel sind? Für die Piefkes und Hupfdohlen künftiger Generationen ist das doch nur urster Kokolores. Schon traurig, dass immer weniger Haudegen und Halunken auf dem Drahtesel Fersengeld geben und dabei einem Fräuleinwunder hinterher pfeifen. Welch Schindluder doch mit unserem schönen bildreichen Wortschatz getrieben wird! Jemand sollte sie schützen, die Karteileichen, Blumenkinder und Backfische unserer Sprache. Oder übertreibe ich? Alles dufte? Ach, alles Mumpitz!

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